Unter die Lupe genommen
Als ein wahrer Schutzbaum und als die Hausapotheke des armen Bauernvolkes durfte niemals der Holunderbusch bei Haus und Hof fehlen. Von verschiedenen Leiden und Mühseligkeiten und großen Lasten erhoffte man sich, von den Hausgeistern die darin wohnten erlöst zu werden. Frau ,,Holder“ und ihre Sippe wohnen in diesem heiligen Baum und in keinem anderen erkennt man die Dreiheit der mächtigen alpinen Schutzgöttin mit ihrem Gefolge mehr, als in diesem ehrenhaften Lebensbaum, der den Anfang und das Ende repräsentiert.
Rinde, Beere und Blüte,
Jeder Teil ist Kraft und Güte,
Jedere segenvoll!
Wer die Naturgöttin auch beachtet und sie ehrenvoll behandelt, wird sie als Frühlingsgöttin Wilbeth in den weißen Blüten, als Sommergöttin Ambeth in den roten Beeren und als die Wintergöttin Borbeth in der schwarzen Rinde erkennen. Von Tageshitze zur Abendkühle bis hin zur Winterkälte gibt sie ihre Heilmittel genau zu den Zeiten ab, wo sie am Meisten gebraucht werden.
Jenen Bauern, die noch aus den heidnischen Zeiten her eine dunkle Ahnung von der einstigen Wichtigkeit des Holunders für das Wohl der Familie kennen, oder eine abergläubische Angst und Furcht vor Zauberei geblieben ist, weist daher dem Holunder auch jetzt noch einen wichtigen Platz in irgendeiner Ecke des Hofes oder am Zaune des Gartens zu, mit der strengen Mahnung an die Menschen, den Baum zu schonen und ihn niemals ohne ihn vorher um Vergebung zu bitten, einfach ohne Grund umzuhacken, da sonst Unglück ins Haus bricht.
Auch projezierte man im alten Glauben Krankheiten und alles was man los werden wollte in einen Stein, in eine Rinde oder Tuch und vergrub es unter dem Holunderbaum, damit es die große Erdmutter mit nahm in die Unterwelt. Oder man suchte am frühen Morgen die Geister des Baumes für seine Anliegen auf und durch geheimnisvolle und seltsame Hantierungen milde zu stimmen um bei Hals- und Zahnweh, Fieber, oder Rotlauf zu helfen. Ein besonderer Brauch bestand darin, daß man ausgezogene Zähne, abgeschnittene Haare und Fingernägel unterm Holunderbaum begrub, auf daß mit ihnen ihre ehemaligen Besitzer bezaubert werden können.